Das unbekannte Leben des ausgeforschten Uhrmachers und mobilen Perpetuisten der Revolution
Georg Böhning (1788-1849)
Vortrag und Dokumentation von Dr. Gerhard Beier zur Einweihung der Gedenkplatte in der Wilhelmstraße zu Wiesbaden, wo der "Aachener Hof" stand, den Böhning als Badehaus und
Kurhotel, aber auch als Unterschlupf für verfolgte Freiheitskämpfer zu nutzen verstand, gegeben am 17. August 1999 zum Gedenken an Böhnings Opfertod in den Kasematten von Rastatt.
Bürgerinnen und Bürger, Freunde und Brüder!
Die Revolution ist unsterblich. Wir wissen es seit Johann Gutenbergs Erfindung, Ferdinand Freiligraths Gedicht, Gerhart Hauptmanns Drama und Stefan Heyms Roman. Sie sehen es heute am Beispiel von
Georg Böhning, dem Uhrmacher und Buchdrucker aus Wiesbaden. Er starb ein Jahr nach der Revolution von 1848 und wurde ein Jahr vor der großen Französischen Revolution geboren. Georg
Böhning fiel am 17. August 1849, vor genau anderthalb Jahrhunderten als Greis von 61 Jahren in den Kasematten von Rastatt. Die freiheitlich-demokratsch verfasste, soziale und einige
Bundesrepublik Deutschland, nach der Böhning sein Leben lang strebte, ist seit der friedlichen Revolution von 1989 endlich Wirklichkeit geworden.
Aus der Geschichte lernen heißt nicht festhalten, sondern verabschieden, heißt erkennen, was längst gestorben ist, und wiederbeleben, was in der Geschichte angelegt war und niemals
starb. Revolution im ursprünlichen Sinn des Wortes - und ich berufe mich dabei auf die Philosophin Hannah Arendt - meint die Rückkehr zu den Wurzeln der Menschheitsgeschichte, und zwar der
zivilisierten Menschheit, die eine Geschichte der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Brüderlichkeit ist. Die Freiheitskämpfer begannen im Vormärz nicht als Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, nicht als Aktiengesellschaft und nicht als Kommanditisten, auch nicht als Barmer Ersatzkasse und als Volksfürsorge. Sie lebten weder in Versicherungspalästen noch
in Landrovern und Luxuslimousinen. Sie reisten per pedes, hausten in den Straßen, zelteten in Wäldern und schliefen in Herbergen. Sie litten Elend, waren marode, wurden verfolgt und
erschlagen und verfolgten gleichwohl erhabenere Ziel als manche Herrschaften, die sich heute als politsche Klasse zu titulieren belieben.
Wir wissen wenig über Georg Böhnings Schulzeit und Ausbildung. Der Hang zum Abenteuer, die romantische Neigung zum vagabundierenden Leben in der freien Natur, die Liebe zu Philosophie
und Dichtung, zu Schillers Räubern und zu Gelegenheitsversen aus politischer oder erotischer Motivation - das scheint den stattlichen und vitalen jungen Mann umgetrieben zu haben. Die Lust an
der höheren formalen Bildung war ihm früh ausgetrieben worden, denn der Pfarrer und Pädagoge Salomo Schellenberg verpasste ihm wegen eines Streiches, der Klassenkameraden beim
Morgengebet zum Lachen reitze, zwölf Stockhiebe auf den Hintern.
Dass solche Behandlung zweihundert Jahre später als "Traumatisierung" bezeichnet würde, konnte damals niemand ahnen, dass aber die Prügelstrafe ungeeignet war, um freundliche
Charaktere zu erzeuge, das war seit Walter von der Vogelweide und spätestens seit Johann Heirich Pestalozzi unter gebildeten Leuten, unter aufgeklärten Pädagogen und glaubensstarken
Geistlichen hinlänglich bekannt. Böhning wurde kein Frömmler und kein kirchengläubiger Mann. Er stammte aus protestantischem Milieu und neigte zur Freigeisterei, die seinerzeit
schamhaft als "deutschkatholisch" umschrieben wurde. Es war die Religion und Kirche des Robert Blum, des Nees von Esenbeck, die Weltanschauung des Weimarer Musenhofes und letztlich der Pantheismus,
eine religiöse Einstellung, die sich auf die Philosophie des Baruch Spinoza - eines Amsterdamer Linsenschleifers und Philosophen - stützt. Die Schulbildung Böhnings kann nicht schlecht
gewesen sein, denn seine Handschrift, die in den Polizeiakten überliefert ist, zeigt einen ansprechenden Duktus von gelegentlicher kalligraphischer Schönheit.
Böhning lernte die Uhrmacherei bei seinem Vater und wurde schon in jungen Jahren "Hofuhrmacher" genannt. Er begnügte sich nicht mit handwerklicher Borniertheit und altem Zunftgeist, der
seinen Fleiß und seine Kenntnisse auf nur einen Gegenstand richtete. Böhning blieb nicht bei seinen "Leisten". Er galt als begabter Mechanikus. Heute würde er Ingenieur genannt
werden.
Der Uhrmacher
Sein Hauptberuf war und blieb freilich der des "Uhrmachers", und so sollte es auch in seinen Lebensbeschreibungen bleiben. Böhning stammte aus einer weitverzweigten Dynastie von Uhrmachern.
Die Nähe zu einem rational-technischen Weltverständnis und Menschheitsbild - der Mensch als Maschine und Gott als Chronometer - war typisch, aber auch der Umgang mit den Köhlern und
Uhrmachern am Oberrhein, im Schwarzwald und in der freien Schweiz bis ins Rhonetal, Savoyen und Norditalien bestimmte das politisch-gesellschaftliche Bewusstsein dieser Leute - von den
Befreiungskriegen über die Julirevolution von 1830 bis zur europäischen Revolution von 1848.
James Watt (1736 - 1819), der Erfinder der Dampfmaschine, war gelernter Uhrmacher. Die gelernten Uhrmacher wanderten durch Europa, gelegentlich auch durch Vorderasien und Nordafrika. Sie besuchten
vor allem ihre Kollegen in der Schweiz und übernahmen dort das freiheitliche Denken der Eidgenossen wie der revolutionären Geheimbünde. Im Bund der Kommunisten gab es eine Reihe
führender Leute, die den Beruf des Uhrmachers erlernt hatten: Josef Moll (1812 - 1849) aus Köln zählte 1840 zu den Stiftern des deutschen Arbeitervereins in London und übernahm
1848 mit Karl Schapper aus Nassau die Leitung des Kölner Arbeitervereins. Phillip Jakob Schöppler (1804 - 1870), Uhrmachermeister aus Mainz, stammte aus einer jakobinischen
Klubistenfamilie, war mit Böhning befreundet. Er leitete den Demokratischen Verein in Mainz und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des dortigen Arbeiterbildungsvereins.
Der Hotelier
Neben dem Uhrmacher ist der Hotelier zu nennen, der Böhning nach seiner Rückkehr aus dem griechischen Freiheitskrieg ab 1827 wurde. Im "Aachener Hof", einem Badehaus, Hotel und
Restaurant an der Wilhelmstraße, diente er der Volksgesundheit auf ganz eigene Weise. Er beherbergte nicht nur Badegäste, sondern mit Vorliebe russische und polnische Emigranten, die nach
dem gescheiterten Dekabristenaufstand und nach dem polnischen Aufstand von 1830 in den Westen kamen, unter ihnen begüterte Leute. Zugleich waren Herbergen dieser Art die wichtigsten Treffpunkte
und Nachrichtenbörsen für burschenschaftlich orientierte Studenten und frühsozialistisch angehauchte Handwerksburschen, Schneider und Schlosser, Schuhmacher und Sattler, Maurer und
Zimmerleute, Gold - und Silberschläger, die damals das Gesicht des arbeitenden Volkes bestimmten.
Der Soldat
Böhning war kein Militarist, aber ein erfahrener und tapferer Soldat. Es scheint den strebsamen Mann in seinem Selbstgefühl erhoben zu haben, als er in den Befreiungskriegen zum Offizier
ernannt werden konnte, was in Preußen lange dem Adel vorbehalten blieb, in Nassau nicht. Freilich wurde er niemals Berufssoldat, sondern pflegte weiter seinen bürgerlichen Beruf. Als
Mechanikus wusste er mit Pistole und Gewehr umzugehen. Durch seine Teilnahme am griechischen Befreiungskrieg als Freiwilliger einer "internationalen Brigade" - wenn diese modernisierende
Charakteristik hier erlaubt ist - sammelte er reiche Erfahrungen in schwierigem Gelände - geographisch, politisch und gesellschaftlich. Ein Jammer, dass wir nicht mehr verlässliche
Informationen darüber besitzen. - Böhning kommandierte die Wiesbadener Bürgerwehr an jenem denkwürdigen 4. März 1848, der eine unblutige und siegreiche Revolution wurde. Zu
beidem trug Böhning wesentlich bei - zum revolutionären Erfolg wie zum unblutigen Verlauf. Es war keine kleine Gruppe, die er zu kommandieren hatte, denn es wurden tausende Gewehre
ausgegeben. Bemerkenswert scheint besonders, dass Böhning die demokratische Wahl der Offiziere und Mehrheitsentscheidungen in Grundsatzfragen des Reglements einführte. Wer studieren will,
was allgemeine Volksbewaffnung und demokratische Wehrverfassung bedeuten kann, der findet in Böhning und der Wiesbadener Bürgerwehr ein bemerkenswertes Studienobjekt. Böhning fiel als
ein "Soldat der Revolution", ein Ehrentitel, den noch Wilhelm Liebknecht für sich in Anspruch nahm, als er im Kaiserreich angeklagt wurde, weil er den Krieg gegen die französische Republik
abgelehnt hatte.
Der Buchdrucker
Der große Napoleon meinte, im Krieg sei eine Druckerpresse ebenso wertvoll wie eine Division. Der Kampf mit Pulver und Blei ist häufiger mit der Wirkung von Druckerschwärze und
Lettern verglichen worden. Auf jeden Fall entspricht der Kampf mit Wort und Buch einer höheren Stufe der Zivilisation als die Auseinandersetzung mit Blut und Eisen. Böhning ist nicht als
Hofbuchdrucker oder Verleger bekannt geworden. Gleichwohl wird er "Buchdrucker" genannt, wozu zwei Episoden beigetragen haben: Als er sich in Griechenland auf der Insel Hydra niederließ,
gründete er zusammen mit seinem Partner eine Druckerei, die freilich am Widerstand der Einheimischen scheiterte. Zurück in Deutschland, muss er im "Aachener Hof" eine kleine Geheimdruckerei
eingerichtet haben. Insbesondere der Druck von politischen Flugblättern unterlag strengster Zensur und wurde polizeilich verfolgt. Dieselben Blätter waren es, die im revolutionären
Klima des Vormärz größte politische Wirkung hatten. Die kleinste "Quetsche" war geeignet, um hunderte Abzüge zu fertigen, die als geheime Botschaften von Hand zu Hand gingen.
Diese Verkehrsformen ähneln auffällig denen des Arbeiterwiderstandes gegen Hitlers Gewaltherrschaft. Böhnings Geheimdruckerei wurde niemals entdeckt. Gleichwohl muss er nicht nur
materiell, sondern auch bewusst mit den Gutenbergjüngern in Mainz, Frankfurt und Wiesbaden verbunden gewesen sein. Sie bildeten einen aktiven Vortrupp der Revolution, und zwar durchaus in
Absprache und Verständigung mit liberalen Prinzipalen. Die Gutenbergfeiern in Mainz 1837, in Frankfurt 1840 und alljährlich in allen "Kunsttempeln" waren Feste der Pressefreiheit, der
geistigen Aufklärung und der politischen Emanzipation. Böhning nahm nachweislich an ihnen teil. Der Gutenbergmythos wie der beschleunigte Rhythmus der Dampfschnellpressen zählte zu den
wichtigsten Antrieben der revolutionären Bewegung.
Der nassauische Robert Blum
Der jüngere Robert Blum (1807 - 1849) bewegte sich ähnlich wie Böhning als "Ehrenbuchdrucker" unter den revolutionären Kampfgefährten. Er verband wie Böhning das
Schauspielerische mit dem politischen Kampf, war aber mehr Literat und weniger Soldat, mehr Berufspolitiker als Böhning und weniger Kunsthandwerker. Beide verehrten Friedrich Schiller und beide
dilettierten als Literaten und Dichter, Blum freilich mit weit größerem Erfolg. Beiden gemeinsam war der unerschrockene Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie, für
eine Verfassung und ein vereinigtes Vaterland, die liberale Gesinnung und der unbeugsame Wille bis in den politischen Opfertod für die gemeinsame Sache. Wie Blum sich in das belagerte Wien
begab, um mit Leib und Leben für die Kampfgefährten einzutreten, so tat es Böhning ein halbes Jhr später in der Reichsverfassungskampagne und in der Festung Rastatt. Beide
hätten sich bequem auf und davon machen können - in die Schweiz und nach Amerika. Beide hingen übrigens dem deutschkatholischen Glauben an. Beide sind auf ihre Weise unsterblich
geworden, auch wenn sie tot sind "wie Robert Blum". So heißt es sprichwörtlich im Nassauischen wie im Rheinland. Beide verdienten mehr Denkmäler als mancher Feldherr und
Menschenschreck, der überlebensgroß in Erz gegossen wurde.
Ein Denkmal - kein Standbild
Der Herrmann bei Detmold, der Bismarck von St. Pauli, die Germania auf dem Niederwald - das alles sind Denksteine und Standbilder der Vergangenheit. Der bronzene Marx in Chemnitz mag weiterhin
Identifikationspunkt und Stein des Anstoßes sein. Mit dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig habe ich Probleme. Einem heiligen Adolf möchte ich nicht begegnen. Ich sah in Moskau den
Friedhof der eingerissenen Denkmäler des Stalinismus und Leninismus. Alle wissen vom unseligen Streit über ein Holocaustdenkmal in Berlin, wobei der Streit um die beste Lösung mir noch
immer wertvoller erscheint, als das zu Erwartende Resultat in Stein und Beton. Ein Denkmal für Böhning?
Freunde und Zeitgenossen haben es erwartet, allerdings kein monströses Monument, eher eine Figur oder einen Portraitkopf in natürlicher Größe. Mir gefällt noch besser die
kleine Platte mit Namen und Daten als Anstoß zum Nachdenken für Passanten, die heute die Kur genießen und gar nichts davon ahnen, dass die Kur der menschlichen Gesellschaft mehr ist als
ein wohlgefälliges und bekömmliches Konzept mehr oder weniger öffentlich subventionierter Anwendungen.
Wer weiter fragt, wer Böhning war, braucht wissenschaftlich fundierte und schriftstellerisch ausgearbeitete Aufklärung über das widersprüchliche und lehrreiche Beispiel dieses
Freiheitskämpfers. Trotz aller bemerkenswerten Neuerscheinungen fehlt bis heute eine problemgerechte Monographie über das wissenschaftlich unbekannte Leben des polizeilich ausgeforschten
Uhrmachers und mobilen Perpetuisten der Revolution Georg Böhning aus Nassau. Das hohe Maß seiner Ausgeforschtheit durch die vormärzlichen Untersuchungsbehörden scheint
ironischerweise einer solchen monographischen Arbeit im Wege zu stehen. ein mehrbändiges Monument von etwa 1000 Seiten folio in polizeilicher Handschrift harrt der Entzifferung in den Magazinen
des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden.
Das Hauptstück dieser schwer zugänglichen Textmasse bildet ein periodisches Verhör in vielen Sitzungen vom Januar bis Juli 1841, das wörtlich festgehalten wurde, das mit einem
Lebenslauf beginnt und insgesamt 360 (dreihundertsechzig) Seiten folio füllt. Dazu ein kleines Verhör der Gattin. Insgesamt fertige Dialoge, die nur transkripiert werden müssen, um
daraus den Rohstoff für ein Revolutionsdrama zu destillieren, das die deutsche Literatur in dieser Form und mit diesem Inhalt bisher nicht kennt. - Zwischen den Böhning-Akten liegen etliche
Schriftstücke, die sich auf den Frankfurter Wachensturm beziehen und m. E. in Frankfurt verloren sind. - Ich habe noch nie bei einem deutschen Helden der 48er Revolution eine solche Masse
unveröffentlichter Handschriften gefunden. Sie leichter zugänglich zu machen, künstlerisch zu verarbeiten und didaktisch auszuwerten, das wäre ein Denkmal von angemessener Art und
Weise. Ein solches Böhning-Denkmal wäre in mehreren Stufen zu realisieren.
1. Am Anfang bedarf es der sorgfältigen und sachkundigen Transkription von über 1000 Seiten Handschriften. Die immer schwerer lesbaren handschriftlichen Texte müssen in
Druckschrift übertragen werden, annotiert und elektronisch gespeichert werden. Das erfordert eine jahrelange entsagungsvolle Arbeit.
2. Die nächste Stufe bestünde in einer historisch-kritischen Ausgabe der gewonnenen Texte, die je nach Qualität der transkripierten Schriften relativ schnell zu verwirklichen
wäre, wenn nur die gewiss erheblichen Druckkostenzuschüsse beschafft werden könnten. Alternativ zu einer Buchausgabe oder auch parallel könnte eine CD-ROM produziert werden mit
dem zusätzlichen Vorteil der Volltextrecherche, die bei den Daten und Namen als Möglichkeit sehr erwünscht wäre.
3. Eine Ausstellung zur Person Böhning mit Bildern, Originalstücken aus dem Staatsarchiv, mit Nachbauten von Szenen und Schauplätzen, kostümierten Figuren, Videos und
zeitgenössischen Staffagen könnte die europäische Befreiungsgeschichte in Ost und West von 1812 bis 1848 und drüber hinaus veranschaulichen.
4. Ein Theaterstück wie die "Ermittlung" von Peter Weiß, vielleicht für das Staatstheater in Wiesbaden, wäre ins Auge zu fassen. Wenn der ordinäre Schinderhannes durch
Carl Zuckmayer ein großer literarischer Erfolg wurde, wieso soll das nicht mit Böhning möglich sein? Für einen wahren Freiheitskämpfer, dessen Leben gewiss interessanter
verlief, weitaus besser dokumentiert ist und zu wertvolleren Einsichten in Geschichte, Politik und Gesellschaft führen könnte.
5. Eine wissenschaftlich fundierte, episch angelegte Biographie Böhnings in literarischer Manier wie die von Hans Mayer über Georg Büchner oder mehr romanhaft wie jene von Stefan
Heym über Lenz.....
Kleine Lebenschronik
1. November 1787: Der Uhrmacher Johann Heinrich Böhning aus Wiesbaden, Sohn eines Uhrmachers in Kirchohmfeld im Eichsfelde, heiratet Sara Lippold aus Wiesbaden, die Witwe des Uhrmachers
Johann Christian Anton Lippold(1).Böhning wohnt zunächst im "Rebstock" an der Marktstraße und baut dann ein Haus an der neuen Wilhelmstraße, das nach Spielmanns Angaben von
1898 die Hausnummer 34 trug(2).
7. Januar 1788: Johann Georg Daniel Böhning wird in Wiesbaden geboren. Vater ist Johann Henrich Böhning. Uhrmacher zu Wiesbaden. Die Mutter Sara Feiler stammt aus Neuwied und ist
Uhrmacherstochter. Am 13. Januar folgt die evangelische Taufe mit dem Oberamtsactuarius Johann Georg Daniel Reitz als Taufzeugen. Der Pädagoge und Pfarrer Salomo Schellenberg sah in der Mutter
das "höchst unsittliche Weib" und tadelte deren "lasterhaftes leben mit seinem Liebhaber".(3)
2. November 1789: Bruder Jacob Henrich kommt zur Welt. Onkel Jacob Henrich Feiler, Uhrmacher-Geselle aus Neuwied, tritt als Taufzeuge auf.
1791 bis 1799: Es werden noch zwei Brüder und zwei Schwestern geboren und getauft, so dass insgesamt sechs Kinder der Verbindung Böhning-Feiler aktenkundig sind, von denen Georg
Böhning der älteste ist. Drei Brüder starben im Jahre 1793. Mutter Sara wid noch 1789 mit dem Familiennamen Feiler geführt.
1808: Georg Böhning beantragt dei Eheschließung mit Johannette Zollmann aus Wiesbaden. Sie wurde am 28. März 1786 geboren, ist also zwei Jahre älter als Böhning. Als
Vornamen der Frau werden auch "Johanna Elise", "Johanna Elisabeth" und "Henriette" genannt. Diese Frau ist die Schwester des nassauische Münzmeisters. Ihr Vater war Oberamtssekretär und
damit herzoglich-nassauischer Beamter. Sie heiraten 1810 und ziehen im gleichen Jahr nach Duderstadt, wo Böhning Uhrmacherei und Weinhandel betreibt.
1813: Rückkehr nach Wiesbaden.
1814/15: Militärdienst als Wiesbadener Bürger und Oberleutnant im nassauischen Landsturm, Teilnahme an den Befreiungskriegen gegen die französische Fremdherrschaft. Böhning ist
als Offizier nicht besoldet und betreibt unterdes weiter sein Geschäft in Wiesbaden.
1821: Der Uhrmacher Georg Böhning, Betreiber einer Caffee & Weinwirtschaft, wird für die Steuer mit einem Vermögen von 800 Gulden veranschlagt, wovon 500 Gulden auf die
Uhrmacherei und 300 auf die Weinwirtschaft entfallen. Er gilt als ein "genialer Mechanikus", besonders als "ein Meister in der Uhrmacherei", ist aber mit seinem Stande nicht Zufrieden. Es treibt ihn
"höher hinan.(4)
1821 bis 1829:Griechischer Freiheitskampf gegen die Türkenherrschaft. Philhellenen aus ganz Europa unterstützen die Griechen in Wort und Schrift und durch Freischärler. Der
englische Dichter Lord Byron fällt. Der Krieg endet mit dem Frieden von Adrianopel und der Unabhängigkeit Griechenlands.
1822: Georg Böhning lässt sich von wandernden Schaustellern engagieren und zieht mit ihnen kreuz und Quer nach Südfrankreich. Mit einem Schweizer namens Meirad und seinem "Perpetuum
mobile" gelangt er bis an die untere Rhone. Dort bekommt er Streit mit seinem Partner. Daraufhin folgt er dem Ruf in den Freiheitskampf der Hellenen. Die Freischärler treffen sich im Hafen von
Marseille. Böhning wird von seinem Kampfgenossen zum Hauptmann bei der achten Expedition erkoren.
März 1822: Gedicht "Zum Geburtstag meiner Gattin am 28. März 1822" unterschrieben "von Deinem dich ewig liebenden Böhning".
September 1822: Einschiffung in Marseille. Freischärler im griechischen Befreiungskrieg als "Klepthenhäuptling" gegen die Türkenherrschaft. Drei Jahre ficht Böhning in den
meisten Schlachten mit. Er wohnt der Belagerung von Korinth unter Odysseus(5) und der Schlacht bei Tripolitsa unter Kolokotroni bei.(6)
1823: Böhning gelangt auf die Insel Hydra vor Athen und die gleichnamige Stadt, einem Bischofssitz und Zentrum des Aufstandes gegen die Türken. Er gründet dort zusammen mit einem
Philhellenen namens Wasen eine griechische Druckerei, die anfangs gut floriert. Aber es gibt Streit bei Schuldnern, die sich zusammenrotten und Böhnings Druckpresse zerschlagen.
1823/24: Nach elf Monaten(7) Freiheitskampf lässt Böhning sich im türkischen Izmir, dem griechischen Smyrna, wie er es weiterhin nennt, nieder und macht gute Geschäfte mit
der Uhrmacherei. Er schreibt seiner verlassenen Frau in Wiesbaden einen reumutigen Brief mit der Aufforderung, das Eigentum in Wiesbaden zu Geld zu machen und nach Smyrna zu kommen.
1827: Rückkehr nach Wiesbaden in Begleitung seiner tapferen, aber zarten Frau, die das Klima in der Hafenstadt an den Ägäis nicht verträgt, vermutlich auch Heimweh bekommt. Im
väterlichen Hause an der Wilhelmstraße 34 - der Vater ist inzwischen gestorben - richtet Böhning den "Aachener Hof" ein, der als Privathotel für Kurgäste dient. Böhning
arbeitet als Hotelier und gleichzeitig als Uhrmacher. Es gibt Hinweise, dass er in diesem Gebäude eine kleine Geheimdruckerei unterhielt, die allerdings nicht entdeckt wurde. Solche kleinen
Druckereien konnten sehr wohl von einem einzigen geschickten Mann - sei es im klassischen Buchdruck oder im kurz zuvor erfundenen Steindruck - betrieben werden.(8)
Um 1830: Böhning begleitet einen reichen russischen Kurgast nach England, Italien und Spanien.In seinem Hotel wohnen polnische Flüchtlinge, die nach der Unterdrückung ihres
nationalen Aufstandes von den siegreichen Russen vertrieben wurden.
1831: Georg Böhning wird steuerlich als Zündmaschinenhändler und Uhrmacher mit insgesamt 600 Gulden Kapital veranschlagt, wovon 200 Gulden auf den Zündmaschinenhandel
entfallen.
27. Mai 1832: Teilnahme am Hambacher Fest in der Pfalz. In Böhnings Polizeiakten finden sich Mitbringsel und Andenken, die auf eine starke Identifikation mit dieser ersten großen
nationalen Maifeier der Deutschen schließen lassen. Unter den Asservaten eine schwarz-rot-goldene Kokarde aus Stoffband, der Abschnitt eines dreifarbigen textilen Bandes, fast so breit wie eine
Schärpe, der berühmte Stich vom "Zug auf das Schloss Hambach am 27. mai 1832", der 24 Kreuzer kostete, zugleich Werbeblatt für eine Zeitschrift: "Wer sich auf den Zeitgeist abonniert,
erhält diese Abbildung unentgeldlich.(9)
2. bis 3. April 1833: Übernachtungen im "Nassauer Hof" zu Frankfurt am Main vom Vorabend bis zum Tage des Wachensturmes. Wegen seiner Freundschaft mit Dr. Gürth [verschrieben aus
Wirth?], einem der Urheber des Aufruhrs, zählt Böhning zu den Verdächtigen. Untersuchungshaft vom 6. bis 23. April, während der Böhning jede Beteiligung am Aufstandsversuch
erfolgreich leugnet. Gleichwohl heißt es in der Geschichtsschreibung, er sei "indirekt am Frankfurter Putsch beteiligt" gewesen.(10)
Pfingsten 1834: Geheime Zusammenkunft im Hause des Prokurators Snell mit freiheitlich gesinnten Männern aus Nassau, Hessen und Baden, unter ihnen Pfarrer Weidig aus Butzbach, Adam aus Idstein
und Mohr aus Mainz. Böhning soll ebenfalls dabei gewesen sein.(11)
Etwa 1834/35/36: Karl Bruhn, genau Johann Carl Balduin von Bruhn, geboren 1803 in Herzborn bei Schleswig, ein abgebrochener Student der Rechtswissenschaften und entlassener Unteroffizier der
Preußischen Artillerie, findet zwei Jahre Unterschlupf als "Kurgast" bei Böhning im "Aachener Hof". Er zählt zu den rührigsten Emissären der vormärzlichen
Geheimbünde der Deutschen, der Geächteten und der Gerechten. Er gründete ein geheimes "Zelt", dem Böhning, Pfarrer Müller aus Weilbach, Gutsbesitzer Hoffmann u.a.
angehörten. Er floh im Sommer 1840 aus Deutschland und wurde in Abwesenheit Ende 1841 durch das Akzisengericht in Mainz zum Tode verurteilt. (12) Bruhn wird 1848 Mitarbeiter Gustav Struves. Er
findet sich 1850 aus dem Bund der Kommunisten ausgeschlossen und arbeitet 1863/64 als Journalist für den lassalleanischen NORDSTERN in Hamburg.
26. Januar 1836: Bei einer Schlägerei im "Aachener Hof" verwundet Böhning den Kaufmann Jakob Gexer am Kopf. Streitgegenstand war der geplante Bau einer Eisenbahnlinie. Es kommt zu einer
gerichtlichen Untersuchung gegen Böhning. Er wird zu einer vierwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt und muss diese Haft absitzen.
14. August 1837: Die Wiesbadener Mitglieder des "Bundes der Geächteten" nehmen am Gutenbergfest in Mainz teil. Im gleichen Jahr wird das bronzene Gutenbergdenkmal in Mainz aufgestellt.
Jahreswende 1837/38: Etwa ein halbes Jahr nach dem Mainzer Gutenbergfest erhält der Schneidermeister Enke in Frankfurt a. M. in seiner Wohnung in der Kahlbächergasse Besuch von
Böhnke und Karl Bruhn aus Wiesbaden.(13)
24. Juni 1840: Beteiligung am Mainzer Gutenbergfest zur Feier des 400. Jahrestages der Erfindung der Buchdruckerkunst und zur Bekräftigung der Forderung nach Pressefreiheit.(14) Das
große Denkmal für Gutenberg, Fust und Schöffer auf dem Rossmarkt in der Nähe der Frankfurter Hauptwache erinnert noch heute an diese epochale Veranstaltung.
26./27. Juli 1840: Georg Böhning und seine Ehefrau Johannette Elisabeth, geb. Zollmann, geraten in einen Streit unter Hausnachbarn und beleidigen den königlich-niederländischen
Oberleutnant Adjutanten Reichmann. Es kommt zu einer polizeilichen Untersuchung.(15)
Oktober 1840: Schneider Enke wird wegen aufrührerischer Flugblätter verhaftetund ist geständig, so dass 382 Personen gefänglich eingezogen und von ihnen 197 als verdächtig
weiter untersucht werden, darunter 12 aus dem Herzogtum Nassau, auch Freunde von Böhning.
24. November 1840: Beginn der erneuten Untersuchung gegen Böhning durch das Herzogliche Justizamt in Wiesbaden.(16)
8. Dezember 1840: Schneidermeister Enke macht in der Untersuchungshaft Aussagen über die Zusammenarbeit von Böhning und Karl Bruhn. Er schildert gleichzeitig den Aufbau der
Geheimorganisation in Zelten und die besonderen Umgangsformen in der Konspiration des revolutionären Vormärz.
15. Januar 1841 bis 22. Juli: Böhning wird verhaftet und monatelang auf dem Wiesbadener Michelsberg, dem Kriminalgefänis, verhört. Die sorgfältig ausgeführten Protokolle
umfassen 360 Seiten folio und zahlreiche Anlagen. Das Hofgericht Usingen muss ihn schließlich freisprechen. Böhning lässt sich in den folgenden Jahren einen großen Vollbart
wachsen, so dass das Signalelement von 1841 nicht mehr auf ihn passt und selbst Freunde ihn kaum wieder erkennen. Bis zum Beginn des Revolutionsjahres 1848 stellt Böhning sich ruhig. Die
Haftkosten werden mit insgesamt 50 Gulden und 36 Kreuzer veranschlagt.
18. Januar 1841: Im ersten ausführlich protokollierten Verhör schildert Böhning seine privaten Verhältnisse: "Ich heiße Georg Böhning, bin 52 Jahre alt, In hiesiger
Stadt geboren, verheiratet, kinderlos, ich habe früher das Uhrmachergeschäft betrieben, jetzt treibe ich solches nur noch aus Liebhaberei; ich besitze den "Aachener Hof" dahier
eigenthümlich, ein Haus im Wert von etwa 40.000 Gulden, auf dem eine Hypothekschuld von 10.000 Gulden lastet; das ganze Haus habe ich bekanntlich zum Vermiethen [...] möbiliert und
vergrößert."(17)
1. Juli 1841: Böhning wird zur gerichtlichen Untersuchung über Hattersheim und Höchst nach Frankfurt a. M. transportiert. Er wird nicht gefesselt. Für die Eskortierung hat er 7
Gulden zu entrichten. Der Transport selbst kostet ihn 11 Gulden und 30 Kreuzer.
12. Juli 1841: Das herzoglich Nassauische Criminalgericht in Wiesbaden lässt den Gefangenen Böhning zur weiteren Untersuchung im offenen Wagen unter militärischer Bewachung
über Biebrich nach Mainz transportieren. Dazu wird ein Transportschein mit genauer Personenbeschreibung ausgestellt: "Alter: 53 Jahre. Größe: 5 Fuß, 7 Zoll. Statur: schlank.
Gesichtsbildung: oval. Gesichtsfarbe: gesund. Haare: dunkel mit weißen Haaren vermischt. Stirne: hoch. Augenbrauen: dunkel. Augen: blau. Nase: groß. Mund: gewöhnlich. Zähne:
mangelhaft. Kinn: spitz. Besondere Kennzeichen: keine.(18) Für den Transport werden Böhning 5 Gulden in Rechnung gestellt.
1848: Sozialstatistik. Wiesbaden zählt 801 Gewerbetreibende, davon 133 Fuhrunternehmer. Ein Großteil mit weniger als zwei Gesellen und einem Lehrling ist zum Proletariat zu rechnen. Die
Lohnabhängigen im engeren Sinne setzen sich zusammen aus 84 Webern bzw. Webereiarbeitern, 16 Maschinenspinnern, 23 Druckereigehilfen, 13 Bürstenbindern, 54 Tabkarbeitern (in Biebrich), 1225
Gesellen und Lehrlingen in Kleinbetieben des Handwerks, 168 Handlungsgehilfen, 580 Mitarbeitern in Gasthöfen, 470 Privatdienern und 1930 Knechten und Mägden in der Landwirtschaft. Es sind
zusammen 3563 personen oder ein Viertel der Gesamteinwohnerschaft. Rechnet man die Kleinunternehmer und die Familienmitglieder hinzu, dann sind bald zwei Drittel der Gesamteinwohnerschaft Wiesbadens
zum Proletariat zu rechnen.(19)
9. Januar 1848: In einer Versammlung demokratisch gesinnter Turner aus Frankfurt, Wiesbaden, Idstein, Höchst, Offenbach, Hanau, Mainz und Mannheim im nassauischen Hattersheim ruft
Böhning zum gewaltsamen Umsturz auf.
2. März 1848: Böhning wird zum Chef der Wiesbadener Bürgerparade gewählt. Sie wird in der Literatur auch als "Bürgerwehr" und "Nationalgarde" bezeichnet. In den
nächsten Tagen werden die "provisorischen Bestimmungen" ausgearbeitet. Demnach gilt Wehrpflicht vom 20. bis zum 54. Lebensjahr. Die Offizier tragen Schärpen und Säbel, so dass
Böhnings Uniform dieser Vorschrift entspricht. Innerhalb der Truppe sind Wahlen vorgesehen, als hätte sich hier eine frühe Form von Soldatenräten entwickelt. Bis Ende 1849 werden
mehr als 5000 Feuerwaffer (Gewehre, Karabiner, Büchsen) an die Bürgergarde ausgegeben.
3. März 1848: Redakteur Diepenbrock gründet die FREIE ZEITUNG als ein demokratisches Organ in der wachsenden Wiesbadener Presselandschaft, das Böhning und seinen Freunden offen
steht. Das Blatt erreichte 2300 Abonnenten und widmet Böhning am 2. September 1849 einen enthusiastischen Nachruf.
3. März 1848: Im Wiesbaden konstituiert sich das Sicherheitskomitee. W. H. Riehl, Vertreter eines monarchisch-demokratischen Konstitutionalismus und Chef der NASSAUISCHEN ZEITUNG, nennt das
Komitee später "eine ziemlich abenteuerliche neue Regierung", eine Art "Wohlfahrtsausschuss" als das "einzige revolutionäre Institut" der Märztage.(20)
4. März 1848: Das "Comité der Repulikanischen Gesellschaft" mit Georg Böhning, Oswald Dietz und Dr. Friedrich Graefe an der Spitze, meldete sich erstmals mit einem Flugblatt
öffentlich zu Worte, fordert die Abschaffung der Monarchie und die Einrichtung der Republik.
4. März 1848: Erfolgreiche Revolution in Nassau. Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen - nachmittags gegen 16.00 Uhr - droht die Erstürmung des Schlosses und Mordbrennerei. In
dieser Situation verteidigt Böhnings Bürgerwehr das Schloss so entschieden, dass auch seine koservativen Gegner nichts daran auszusetzen haben.(21) Böhning persönlich geleitet um
16.30 Uhr den elegant gekleideten Herzog - er trägt Brille, Handschuh und Zylinderhut - zu Fuß am bewaffneten Spalier der Revolutionäre vorbei auf dem Weg vom Bahnhof zum Schloss. Die
spätere bildliche Darstellung zeigt Böhning in imponierender Größe neben dem Schmächtigen Aristokraten. - Die nassauische Revolution endet nach massenhaften Demonstrationen
- es werden bis zu 30000 Teilnehmer genannt - mit der Anerkennung aller neun Forderungen der Nassauer durch den Herzog, darunter allgemeine Volksbewaffnung, unbedingte Pressefreiheit, sofortige
Einberufung eines Parlaments, Verstaatlichung der Domänen bis hin zur Religionsfreiheit.(22)
7. März 1848: Das Sicherheitskomitee veröffentlicht die "vorläufigen Bestimmungen über die Bildung der Nationalgardr zu Wiesbaden, darin bemerkenswerte Grundsätze einer
demokratischen Wehrverfassung: "Jede Kompagnie wählt ihren ersten und zweiten Hauptmann, sowie die Zuführer aus ihrer Mitte." (§5) "Die Offiziere der Nationalgarde entwerfen die
Dienstvorschriften unter Mitwirkung eines von der ganzen Garde dazu erwählten Ausschusses, welcher aus zwei Mitgliedern jeder Kompagnie geblidet wird." (§7)(23);
9. März 1848: Georg Böhning legt das Amt des Bürgerwehrkommandanten von Wiesbaden nieder. Nachfolger wird Hauptmann Wilhelm Goedecke (1796 - 1853), der dieses Amt bis in die
Julikämpfe hinein behaupten kann.
Böhnings Abschiedsbrief an die "Bürger-Garde" lautet: Geliebte Brüder! Nach den Rechten freier Bürger, die wir - begeistert für die gerechte Sache - durch geistige und
materielle Kraft, sowie durch den ritterlichen Sinn und die unbegrenzte Liebe des Herzogs zu Nassau (aus dem) kräft'gem, biedertreuem Völkerstamme ohne die geringste ungesetzliche Handlung,
ohne Blutvergießen geworden sind, habt ihr das Recht, Eure Führer selbst zu wählen. Ich wurde am ersten Tage der errungenen Freiheit, durch Euer Vertrauen provisorisch zum Chef der
Nationalgarde gewählt, trete jedoch mit dem innigsten Dank, für die mir erwiesene Liebe in Eure Reihen zurück; doch ruf ich Euch vorher noch zu: Seid behutsam in Eurer Wahl! Lenkt den
Sinn auf entschiedene Männer, denen ihr in ernsten Momenten vertrauen könnt, die nicht gleich dem Chamäleon bei jeder Gelegenheit die Farbe wechseln. Entschiedenheit! Rechtlichkeit und
Liebe! seien die Grundbedingungen! Nicht durchaus erforderliche militärische Kenntisse, diese erlernen sich umso schneller, wo Eifer zur Sache ist; ich kenne dies aus eigener Erfahrung zu Zeiten
der Fremdherrschaft, wo ich als schlichter Bürger zum Offizier der Reserve ernannt wurde, und später im griechischen Freiheitskampfe gegen den Erbfeind des Christentums. Nicht Stand! Nicht
Religion! Nicht Jude! darf eine Klippe für euch sein! Wir sind in einem freien Lande, von einem hochherzigen Fürsten regiert, Alle, Alle, Alle Brüder! Es lebe die Bürgergarde!
Hoch lebe unser Herzog!(24)
14. März 1848: Das wisbadener Sicherheits-Comité beschließt eine "Stiftung zum Gedächtnis des 4. März 1848 für das Wohl der arbeitenden Classen". In dem Aufruf
heißt es über die Stiftung: "Dies Denkmal soll nicht in eitlem Prunk aus Stein und Erz bestehen, sondern es soll sich durch wohltuende Wirksamkeit unter dem volke erweisen. Eine solche
Wirksamkeit können wir aber auf kein wirksameres Ziel richten, als auf Beförderung der Interessen der arbeitenden Classe." Böhning befindet sich nicht unter den aufgezählten
Mitgliedern des Komitees.(25)
20. März 1848: Der Tabakwarenhändler J. Havemann aus der Wbergasse bietet "Aechte, abgelagerte Bremer Cigarren", die bisher 1,5 Kreuzer kosten unter dem Namen "Wiesbadener
National-Garde-Cigarren" zum reduzierten Stückpreis von einem Kreuzer feil.
26. März 1848: Bei der Neuwahl des Sicherheitskomitees werden Graefe und Böhning als Mitglieder bestätigt.
31. März 1848: Das deutsche Vorparlament beginnt seine Beratungen in der Frankfurter Paulskirche. Die Wiesbadener nehmen die Taunusbahn oder gehen zu Fuß über die Landstraße
nach Frankfurt, um an dieser historischen Begebenheit teilzunehmen. Robert Blum, Friedrich Hecker und Gustav Struve reden im "Gasthaus zum Weidenbusch" über die Errichtung eines großen
deutschen Freistaats. der repuplikanische Gedanke scheint sich durchzusetzen. Die anwesenden Nassauer nehmen das voller Enthusiasmus auf. "Drei Männer geloben sich hierin treue gegenseitige
Unterstützung, ein Greis, ein Mann und ein Jüngling: Georg Böhning, Friedrich Graefe und Oswald Dietz, alle geborene Wiesbadener, erfüllt von freiheitlicher Begeisterung
[...]"(26)
4. April 1848: Das Flugblatt über "Die wichtigsten Fragen der Gegenwart" wird vom "Comité der Republikanischen Gesellschaft" in Wiesbaden veröffentlicht. Erstunterzeichner ist
Gearg Böhning. Es bekennt sich in Frageform zur republikanischen Staatsverfassung und fordert programmatisch: "Abschaffung mancher drückenden Abgaben, als: der Binnenzölle, der
Schifffahrtsabgaben, Zehnten, Gilten, Chausseegelder, Gewerbesteuer, Akzisen und Erbleien, wofür dann eine verhältnismäßige Einkommens- und Vermögenssteuer in der Art
eingeführt wird, dass das zum Leben unumgänglich nöthige Einkommen unbesteuert bleibt; Abschaffung der Adelsvorrechte, allgemeine unentgeltliche Schulbildung und Besserstellung der
Lehrer durch angemessene Gehalte; Aufhebung aller klösterlichen Einrichtungen, Glaubens- und unbedingte Pressefreiheit; öffentliches und mündliches Gerichtsverfahren, unentgeltliche
Gerechtigkeitspflege und Aufhebung aller Stempel; Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Gemeinden; Abhilfe des Notstandes der arbeitenden Klassen; Beseitigung des Missverständnisses
zwischen Kapital und Arbeit durch ein Arbeitsministerium, in welcher jeder tüchtige Arbeiter gewählt werden kann; Hebung der Industrie, des Handels und des Ackerbaues durch geeignete
Mittel. - Die Republik will weder eine Auflösung der Ordnung noch des Rechts. Sie duldet weder eine Verletzung des Eigentums noch der Person und erklärt jeden Dieb für ehrlos, woraus
deutlich hervorgeht, dass der von den Feinden des Volkes gemachte Vorwurf, als wolle die Republik Auflösung aller Gesetze, in Nichts zusammenfällt. Sie will im Gegenteil das Volk vollkommen
glücklich machen, so glücklich, als wir sterbliche Menschen es werden können. Weil aber die Republik das ganze deutsche Volk glücklich machen wird, und ihr an dem Glück von
50 Millionen Menschen mehr gelegen ist, als an dem scheinbaren Wohlbehagen von 33 einzelnen Fürstenfamilien, darum hassen die Fürsten und die Fürstendiener, welche aus der Tasche der
Fürsten sich mit den Abgaben des Volkes Sättigen, die gute Republik, weil mit derselben ihre Herrschaft zu Ende ist."(27)
5. April 1848: Das Flugblatt ist - ohne Wissen des Redakteurs - gleichzeitig mit der FREIEN ZEITUNG augetragen worden und dadurch in viele Haushalte gelangt. Es kommt zu einer erregten
volksversammlung in den "Vier Jahreszeiten".
19. April 1848: Ausschluss von Böhning aus dem Sicherheitskomitee in Wiesbaden, da "der Herr Georg Böhning in letzter Zeit den ausgesprochenen Zwecken des Sicherheitskommitees zu
Wiesbaden zuwider gehandelt und sich grobe Beleidigungen gegen daselbe erlaubt hat [...]"(28) Hinter dem Beschluss stehen die konstitutionellen Anhänger der Monarchie.
19. April 1848: Auf Anzeige des Sicherheitskomitees beim Wisbadener Polizeiamt, wonach Maurermeister Schlink und Georg Böhning in der Wirtschaft des Valentin Wiegandt sich unehrerbietiger
Äußerungen gegen den Ministerial-Präsidenten Hergenhahn erlaubt haben sollen, beginnt eine Untersuchung wegen republikanischen Aufruhrs und Hochverrats.(29)
26. April 1848: Der Wiesbadener Arbeiterverein zählt vor seiner vereinrechtlichen formalen Gründung bereits 100 Mitglieder. Er trifft sich in seinem Stammlokal, der Gastwirtschaft Hahn
im Nerotal. Graefe, Dietz und Böhning gelten als die führenden Köpfe. Die Grundlagen des Arbeitervereins wurden durch Karl Schapper (1812- 1870) gelegt, der darüber unter seinem
Tarnnamen Schill am gleichen Tage an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten berichtet.(30)
22. Mai 1848: Gleichzeitig mit der Eröffnung des Landtages werden die Sicherheitskomitees in Nassau aufgelöst.
23. Mai 1848: Erste Generalversammlung des Arbeitervereins in Wiesbaden und damit vereinsrechtliche Gründung durch die Republikaner Dr. Friedrich Graefe und Oswald Dietz. Böhning
zählt zu den Hauptakteuren des Arbeitervereins. Vereinszweck ist "die politische und soziale Ausbildung seiner Mitglieder durch Anschaffung von Zeitungen und Büchern, durch Diskussion
derjenigen Fragen, welche unsre Zeit bewegen und endlich durch wissenschaftliche Vorlesungen".(31) Der Verein zählt bald 300 Mitglieder, vor allem Handwerksgesellen.
Mai/Juni 1848: Die gedruckten "Compagnie-Listen der National-Garde zu Wiesbaden" spiegeln die berufliche Zusammensetzung der Wiesbadener Bevölkerung. Besitzbürgerlich-gewerbliche Berufe
stellen nur6,7 Prozent, Staatsbeamte 5,9 Prozent, dagegen kleingewerbliche und handwerkliche Berufe 37,8 Prozent, ohne Angabe 31,2 Prozent, alle anderen unter 5 Prozent.(32)
22.- 26. Juni 1848: Blutige Niederschlagung des Arbeiteraufstandes in Paris, der sogenannten Juni-Insurrection durch General Cavaignac mit vielen tausend Opfern auf beiden Seiten. Mit dieser
Niederlage verliert der Kampf um die soziale Republik in Europa seine stärkste Bastion.
10. Juli 1848: Im nassauische Lindenholzhausen versammeln sich Vertreter von etwa 200 Gemeinden, um für die Aufhebung des Zehnten und anderer Feudalabgaben einzutreten. Böhning soll
unter den Teilnehmern gewesen sein.(33) Die öffentliche Feier der Reichsverweserwahl am gleichen Tage auf dem Wiesbadener Kurhausplatz wird von den Wehrmännern gemieden.
12. Juli 1848: Gut besuchte Versammlung in der "Schönen Aussicht" an der Dotzheimer Straße, zu der dr. Graefe und Genossen eingeladen haben. Sie fordert einhellig die Umwandlung
Deutschlands in eine Republik. Am Tage darauf tritt der Turnverein Wiesbaden diesem Beschlusse bei.
15. Juli 1848: In einer zweiten Versammlung werden die Statuten der zu gründenden demokratischen Gesellschaft entworfen und ein geharnischter Protest gegen die Unverantwortlichkeit des
Reichsverwesers mit über vierhundert Unterschriften nach Frankfurt an die Nationalversammlung geschickt. Die Proklamtionen des Reichsverwesers werden von den Straßenecken abgerissen und
verhöhnt.
16.- 18. Juli 1848: Nachdem die Forderung einer zweiten Revolution aufgestellt wurde, kommt es zu dreitägigen Unruhen in Wiesbaden, dem sogenannten "Julikrawall".(34) Eine Deputation des
Arbeitervereins, bestehend aus Graefe, Dietz und Böhning, Fordert von der Kommandatur die Freilassung einiger diziplinarisch bestrafter Artilleristen. Als die Kommandatur sich weigert,entgegnet
Böhning, wenn die Kanonier nicht frei kämen, seien Ruhe und Ordnung nicht mehr garantiert. Von der Versammlung des Arbeitervereins zieht eine Volksmenge durch das Nerotal in die Stadt. Sie
singen das Heckerlied. Als der Generalmarsch geschlagen wird, verweigern große Teile der Bürgerwehr den Gehorsam. Böhning flüchtete vor der drohenden Verhaftung ins Elsass und
nach Straßburg. Die Unruhen enden nach wildem Hin und Her mit Freilassung der Gefangenen. Die NASSAUISCHE ALLGEMEINE ZEITUNG nennt den 17. Juli "einen Siegestag unserer Anarchisten".(35)
Truppen aus Mainz stellen in den folgenden Tagen wieder Ruhe und Ordnung her.
19. Juli 1848: Auf einem Steckbrief gegen Böhning wird folgende Personenbeschreibung gegeben: "Größe 5 Schuh 8 Zoll rheinländisch Maaß. Farbe der Haare: grau. Schnittder
Haare: lang. Form der Stirn: hoch. Augen: grau. Bildung der Nase: lang, und des Mundes: klein. Bart: grau und lang. Gesichtsform: oval. Gesichtsfarbe: blass. Besondere charakteristische Merkmale:
geht vorgebeugt."(36)
20. Juli 1848: Im NASSAUISCHEN ZUSCHAUER erscheint eine kritische Stellungnahme von Friedrich Ludwig Jahn, dem "Turnvater", gegen "die rothe Allmende" mit einer heftigen Polemik und der
rassistisch angehauchten Unterstellung des Landesverrats, die endet: "Jedes Volk hält seine erkauften Wühler in Deutschland, sogar türkische Sendlinge treiben sich umher und die
sicialen Demokraten sind die Dummhüte und Dubber."(37)
21.- 25. September 1848: Nach der Proklamation der Republik in Lörrach am Hochrhein beteiligt Böhning sich am zweiten republikanischen Aufstand unter Gustav Struve im badischen Oberland.
Nach der Niederlage flüchtet er wieder ins Elsass und in die Schweiz. Er "zeltet" dort von Ort zu Ort bis in das Frühjahr 1849 hinein.(38)
Mai 1849: Dresdner Maiaufstand, Reichsverfassungskampagne und badisch-pfälzischer Aufstand. An der Schweizer Grenze stellt Böhning eine "Flüchtlingslegion" auf, in der sich
Emigranten vieler deutscher Regionen sammeln, die zwischen der Auswanderung nach Übersee und der kämpferischen Rückkehr in die Heimat schwanken. Böhning ernennt sich zum Oberst
seiner Truppe, trägt weiter die schwarz-rot-goldene Schärpe, zwei Pistolen und den Schleppsäbel. Dabei reitet er auf einem eleganten großen Braunen aus dem großherzoglichen
Marstall in Karlsruhe, scheut keinen Kampf und keine Maßnahme zur Stärkung der revolutionären Kräfte. Außer Böhning sind Oswald Dietz und die Brüder Graefe als
Mitstreiter in der Reichsverfassungskampagne bekannt geworden.(39)
6. Juni 1849: Der von Gutav Struve in Karlsruhe gegründete "Klub zur Förderung der Sozialen Republik" wird durch Lorenz Brentano mit Hilfe der Bürgerwehr gesprengt. Struve und seine
Freunde Becker und Böhning sind unter den Verhafteten, werden aber bald wieder in Freiheit gesetzt und zur Neckar-Armee verwiesen.(40)
30. Juni 1849: Die badische Revolutionsarmee unterliegt den preußischen Truppen an der Murglinie auf der Höhe von Rastatt und flüchtet mit etwa 6000 Soldaten in die Festung
Rastatt.
Juli 1849: Böhning ist mit seinen Freischärlern in die Festung Rastatt geflüchtet und befindet sich dort strategisch in der Falle. Er widersetzt sich im Kriegsrat der Übergabe
der Festung. Als er zuletzt überstimmt wird, sinkt er in sich zusammen, greift mit beiden Händen an sein Haupt und wankt aus dem Zimmer.
23. Juli 1849, 16.30 Uhr: Die Garde verlässt die Festung Rastatt und streckt die Waffen. Georg Böhning mit der Legion der Freischärler zieht durch seine abenteuerliche Erscheinung
alle Augen auf sich. Am Abend desselben Tages wird er als Gefangener in daselbe Fort C gesperrt, das er als Offizier kommandiert hatte.
16. August 1849: Böhning versucht durch Krankheit und Leugnen das drohende Urteil des Standgerichts in Rastatt hinauszuzögern. Der Rechtsanwalt Reeh aus Offenburg kann die Beweise der
Anklage nicht widerlegen. Es folgt das standgerichtliche Todesurteil. Böhning verlangt vergeblich zwei Tage Aufschub, um sich von seiner geliebten Gattin zu verabschieden.
17. August 1849, 4.00 Uhr früh: Wecken vor Sonnenaufgang. Hinrichtung in Rastatt. Böhning lehnt den Beistand eines evangelischen Geistlichen ab, weil er als Freidenker und
Deutschkatholik mit seinem Gewissen und seinem Gott im Reinen sei. Er raucht die Zigarre, wie es seine Gewohnheit war, hält auf dem Richtplatz eine Rede gegen den Servilismus und verkündet
seinen Totschlägern "die zukünftige Rache",(41) er lehnt die Augenbinde ab und stirbt aufrecht, den Mantel aufgeschlagen, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, sehenden Auges
vor den Gewehrläufen des Pelotons. Seine letzten Worte: "Ach Gott, von meinen Mördern komme ich zu dir!"(42) Zwölf Kugeln sollen ihn durchbohrt haben. Am gleichen Ort fallen noch 18
weitere Freiheitskämpfer unter den Schüssen der Reaktion.
Böhning geht als "heldenhafter Organisator und Kommandeur der Schweizer Arbeiterlegion" ein in die Geschichte der Revolution, des badischen Aufstands und der Kasematten von Rastatt.(43)
2. September 1849: Der Nachruf seiner Freunde stellt den positiven Charakter heraus: "Georg Böhning [...] war ein strenger Wahrmund, Verstellung war ihm fremd, Lüge war ihm eine
Verächtlichkeit, Verleumdung war ihm Raub und Diebstahl; Schmeichler, Betrüger, Herrsch- und Habsüchtige waren ihm tief verhasst; Plusmacher und Kettenschmiede, sie mochten hoch oder
niedrig stehen, er griff sie an mit Tadel und Rüge. Er war in hohem Grade gastfreundlich, liebreich und gefällig. Er gab ungefordert und ohne Säumnis, wie ohne alle Ostentation. Nie
dachte und äußerte er sich trivial. Nie brach er in Flüche aus, nie war er Polterer, nie tönte eine Sottise, nie eine Zote, nie ein Eidschwur von seinen Lippen. Er hasste Spiel,
Völlerei und Schwelgerei. Er war durchaus ein wahrhafter Anticyniker. Was sein Äußeres betrifft, war er eine hohe, imponierende Gestalt mit einer Physiognomie, die an Friedrich
Schiller erinnerte."(44)
Im Nachruf wird die Errichtung eines Denkmals gefordert: "Nassau, Wiesbaden, ihm gebühret, ihm schuldet ihr ein Denkmal des Dankes und der Erinnerung."
1849: Georg Böhnings Ehefrau wird als Gutsbesitzerin mit einem Vermögen von 50 Gulden im Steuerkataster veranschlagt. Sie ist kinderlos. Freunde loben ihre tapfere Haltung nach der
Todesnachricht.
1. Daten aus dem Standesamt und aus dem Steuerkataster wurden mir freundlicherweise durch Axel Ulrich und Jochen Dollwet vom Stadtarchiv Wiesbaden zur Verfügung gestellt.
2. C. Spielmann: Achtundvierziger Nassauer Chronik...,S.65.
3. Guntram Müller-Schellenberg: "Ach Gott..."
4. Nachruf mehrerer Freunde...
5. Odyseeus zählte zu den Helden des griechischen Freiheitskrieges. Er belagerte Chalkis 1823 erfolglos und wurde 1825 tot auf der Akropolis gefunden. 1888 wurde ihm in Gravia ein Denkmal
gesetzt.
6. Dieser Teil der Chronologie beruht auf dem Nachruf und bedarf der Überprüfung, denn die Erstürmung von Tripolitsa unter Kolokotroni datiert auf den 5. Oktober 1821. Im April 1823
wurde Tripolitsa Sitz der griechischen Revolutionsregierung.
7. Diese "elf Monate" stehen in den detallierten Bericht des Wiesbadener Tageblatts vom 20. April 1968. Auch hier ein Widerspruch zu anderen Zeitangaben, der nur durch genauere Recherchen
abgeklärt werden kann.
8. Drucksachen unter den Asservaten in den Akten Böhnings, die im Hauptstaatsarchiv verwhrt werden, sind teils von so schlechter Qualität, und zwar sowohl in Buch- alsauch im Steindruck,
dass sie sehr wohl auf dei Herstellung in einer primitiven Geheimdruckerei schließen lassen, wobei der Druckort natürlich nicht angegeben ist. Gutram Müller-Schellenbergs Aussage,
dass eine solche Einrichtung in Böhnings Haus "undenkbar" gewesen wäre, ist nachdrücklich zu widersprechen. Ich verweise dazu auf Senefelders Schriften und muss mich auch auf meine
eigenen Forschungen berufen. Gerhard Beier: Schwarze Kunst und Klassenkampf, Vom Geheimbund zum königlich-preußischen Gewerkverein, Frankfurt a. M. 1966. P. Wacker mit Beitägen von
Guntram Müller-Scellenberg: Das herzoglich-nassauische Militär...,S.563, Anmerkung 68. Was von Volker Eichler in seinem Verzeichnis der Bestände im Staatsarchiv wiederholt als
"hektogrphier" bezeichnet wird, ist genauer als "lithographiert" zu bezeichnen. Die Siebdrucktechnik mit Wachsmatrizen war im Vormärz noch nicht erfunden.
9. HHSTW, Abt. 295, Nr.54, Bd. 2.
10. W.-H. Struck: Das Streben...,S.173. Dazu einige Unterlagen der Untersuchungsbehörden HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 1.
11. Ein Wiesbadener Revolutionär...
12. Ausführlicher Steckbrief in Wehrmuth/Stieber: Die Communisten-Verschwörung des 19. Jahrhunderts.
13. HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 2. Aussage Enkes am 8. Dezember 1840.
14. Einladungsschreiben vom 23. Juni in HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 2. Zur überragenden Bedeutung dieser an allen großen Druckorten begangenen Feiern siehe G. Beier: Schwarze Kunst und
Klassenkampf..., S. 47ff.
15. HHSTW, Abt. 295, Nr. 54.
16. HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 1.
17. HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 1, S.2.
18. HHSTW, Abt. 295, Nr. 54, Bd. 2.
19. Zahlen nach A. M. Kunigk: Karl Schapper, S. 183f.
20. W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahres 1848, S. 14f.
21. M. Wettengel: Die Wiesbadener Bürgerwehr..., S. 25.
22. Gerhard Beier: FREIHEIT, GLEICHHEIT, ARBEIT! Zur Sozialgeschichte der europäischen Revolutionen 1848/49 mit besonderer Berücksichtigung der Ereignisse in Hessen-Nassau, Vortrag am 4.
März 1998, Hessischer Landtag, Schlossplatz zu Wiesbaden, veröffentlicht mit einem Vorwort von Klaus Böhme in: POLIS, Analysen, Meinungen, Debatten. Eiene Schriftenreihe der Hessischen
Landeszentrale für politsche Bildung, Heft 25, Wiesbaden 1998, 36 S.
23. Die kompletten Bestimmungen bei M. Wettengel: Die Wiesbadener Bürgerwehr...,S. 34f.
24. Zitiert nach B. Forßbohm: Die Wäsch-Bitt...,S. 88. Derselbe Text zuvor bei C. Spielmann: Achtundvierziger Nassauer Chronik, S.59f.
25. NASSAUISCHE ZEITUNG, Nr. 5/18. März 1848, S. 1. Beilage 22 zu W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahres 1848.
26. C.Spielmann: Achtundvierziger Nassauer Chronik..., S. 64.
27. Faksimiliertes Flugblatt, Beilage 23 zu W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahres 1848.
28. Zittiert nach M. Wettengel: Die Revolution von 1848/49, S. 99.
29. HHSTW, Abt.293, Nr. 1347.
30. A. M. Kunigk: Karl Schapper, S. 182ff.
31. Zitiert nach Bernd-Michael Neese: Einer der ersten (Sozial-) Demokraten.
32. M. Wettengel: Die Wiesbadener Bürgerwehr...,S. 37.
33. M. Wettengel, S. 287.
34. W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahres 1848, S. 66ff.
35. Beilage 41 zu W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahres 1848.
36. M. Wettengel: Die Wiesbadener Bürgerwehr...,S. 119. Faksimile auf S. 55.
37. NASSAUISCHE ZUSCHAUER, 20. Juli 1848, S. 3. Beilage 42 zu W. H. Riehl: Nassauische Chronik des Jahers 1848.
38. C. Spielmann: Achtundvierziger Nassauer Chronik...,S. 113.
39. M. Wettengel: Die Wiesbadener Bürgerwehr...,S. 98.
40. Edgar Bauer: Konfidentenberichte über die europäische Emigration in London 1852 - 1861, hg. von Erik Gamby (=Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Trier 38), S. 36.
41. So im Nachruf mehrerer Freunde...
42. So Guntram Müller-Schellenberg: "Ach Gott"
43. W.H. Struck: Das Streben...,S. 176.
44. Nachruf mehrerer Freunde... Wer mehr über Böhning, insbesondere über die militärische Seite seines Wirkens erfahren möchte, sei auf die Forschungen von Guntram
Müller-Schellenberg verwiesen. Ihm danke ich mehrere Hinweise, die in der verbesserten zweiten Auflage dieses BOGENDRUCKS berücksichtigt werden konnten.
Georg Böhning, der Freiheitskämpfer aus Wiesbaden. Ein Schicksaal aus den Jahren der Deutschen Revolution, gez. F, in: WISBADENER KURIER, 15. Juli 1960, S. 11.
Ein Wiesbadener Revolutionär anno 1848. Georg Böhning war ein unruhiger Geist. Mit einer Zigarre Trat er vor das Erschießungs-Peloton, gez. ce., in: WIESBADENER TAGEBLATT, 20.
April 1968.
Böhme, Klaus / Bernd Heidenreich (Hg.): "Einigkeit und Recht und Freiheit." Die Revolution von 1848/49 im Bundesland Hessen, Opladen und Wiesbaden 1999.
Eichler, Volker (Bearb.): Inventar zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in den Staatlichen Archiven der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden,
München 1996.
Eichler, Volker u. a.: Bürger und Bauern für Freiheit und Einheit. Die Revolution von 1848/49 in Wiesbaden und Nassau. Dokumentation zur Ausstellung, Wiesbaden 1998.
Forßbohm, Brigitte (Hg.): Die Wäsch-Bitt von Franz Bossong. Heiteres und Satirisches aus dem alten Wiesbaden, 1897-1900, mit Zeichnungen und Karikaturen von Ferdinand Nitzsche,
Wiesbaden 1998.
Gerber, Manfred: Ein Wiesbadener Revolutionsheld. Der Wiesbadener Georg Böhning war eine der schillernsten Figuren der deutschen Revolution, in: WIESBADENER KURIER, 19. März 1998,
S.7.
Kuhnigk, Armin M.: Karl Schapper. Ein Vater der europäischen Arbeiterbewegung, 2. Aufl., Camberg 1980.
Müller-Schellenberg, Guntram: "Ach Gott, von meinen Mördern komme ich zu Dir!" Am 17. August 1849 wurde in Rastatt der Wiesbadener Freiheitskämpfer Georg Böhning standrechtlich
erschossen, in: WIESBADENER KURIER, 14. August 199, S.7.
[Nachruf auf] Georg Böhning, [gezeichnet] Mehrere Freunde des Geopferten, FREIE ZEITUNG Nr. 209/2. Sepember 1849, faksimiliert in V. Eichler u.a.: Bürger und Bauern...,S. 84.
Neese, Bernd-Michael: Einer der ersten (Sozial-) Demokraten. Der Wiesbadener Dr. Friedrich Graefe: Augenarzt, Republikaner und Sozialrevolutionär, in: WIESBADENER KURIER, Ostern 1998, S.
7.
Riehl, Wilhelm Heinrich: Nassauische Chronik des Jahres 1848. Mit einem Nachwort und einer Dokumentenbeilage von Winfried Schüler und Guntram Müller-Schellenberg, Idstein 1979.
Senefelder, Aloys: Vollständiges Lehrbuch der Steindruckerey, enthaltend eine richtige und deutliche Anweisung zu den Manipulations=Arten derselben in allen ihren Zweigen und Manieren, zweyte
wohlfeilere Ausgabe, München 1821.
Spielmann, Christian: Achtundvierziger Nassauer Chronik. Darstellung der Ereignisse in Nassau im Jahre 1848, Wiesbaden 1899.
Wacker, Peter, mit Beiträgen von Guntram Müller-Schellenberg: Das herzöglich-nassauische Militär 1813 - 1866. Militärgeschichte im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft
und sozialen Verhältnissen eines deutschen Kleinstaates, Schellenbergsche Verlagsbuchhandlung, Taunusstein 1998.
Struck, Wolf-Heino: Das Streben nach bürgerlicher Freiheit und nationaler Einheit in der Sicht des Herzogtums Nassau. Ein Beitrag zur Beurteilung der Entscheidung von 1866, in: NASSAUISCHE
ANNALEN, 77. Bd., 1966, S. 142-216.
Wettengel, Michael: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Politische Vereine und Revolutionsalltag im Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau und in der Freien Stadt Frankfurt,
Wiesbaden, 1989.
Wettengel, Michael: Die Wiesbadener Bürgerwehr 1848/49 und die Revolution im Herzogtum Nassau, Taunusstein 1998.
Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach, unter Mitwirkung eines Redaktionsausschusses beschrieben, erstes und zweites Heft, Neustadt a. d. H., 1832, faksimilierter
Nachdruck, Topos Verlag, Vaduz/Liechtenstein 1977.
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